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Projektskizze „Reform des Schulunterrichts“

Die Bemühungen um eine Reform des schulischen Bildungssystems müssen sich auf zwei vorrangige Ziele konzentrieren, und zwar ein nur langfristig zu erreichendes Ziel, nämlich die Verbesserung und insbesondere Steigerung der Praxisnähe der Lehrerausbildung an den Hochschulen, und ein kurz- bis mittelfristig zu erreichendes Ziel, die Optimierung des Unterrichts in den Schulen. Um letzteres geht es im vorliegenden Projekt.

Eklatante Defizite der bis heute dominierenden Unterrichtspraxis sind

Was kann man tun?

Oberste Prinzipien aller Reformbemühungen der Lehrenden an den Schulen sind Freiwilligkeit der Teilnahme, Vorangehen in kleinen Schritten, Überprüfung des Erfolges der Reformmaßnahmen nach rund zwei Jahren.

Der erste Schritt muss die Bildung von Lehrer-Teams sein, die bereit sind, ihren Unterricht gemeinsam hinsichtlich des Zieles, Ablaufs und Inhalts zu planen und sich fortzubilden. Sie müssen Konzepte für einen fächerübergreifenden Unterricht entwerfen und diese realisieren.

Der zweite Schritt muss in einer Verständigung zwischen den Lehrern hinsichtlich des Ziels bestehen, die Persönlichkeiten der Lernenden einschließlich ihrer Begabungen (Normalbegabung, Minderbegabung, Hochbegabung), ihres Wissensstandes und ihrer familiären Situation besser zu erfassen und im Unterricht zu berücksichtigen. Dies schließt Fortbildungsmaßnahmen in Persönlichkeits-, Entwicklungs- und Lernpsychologie ein.

Der dritte Schritt besteht in der kritischen Überprüfung des Stoffes nach der Maxime Weniger ist mehr, d.h. weniger Stoff, kompetent und professionell vermittelt, wird besser und länger im Gedächtnis verankert als mehr Stoff, der über die Köpfe der Lernenden hinweg unterrichtet wird. Hier sollten alle fach-egoistischen Motive über Bord geworfen werden. Bei dieser Reduktion und Umgestaltung des Unterrichtsstoffes sollte ein fächerübergreifender Unterricht angestrebt werden, wo und wie es irgend geht.

Der vierte Schritt besteht in der genauen Ausarbeitung einer neuen Unterrichtsstruktur, wobei es ein fachliches oder fächerübergreifendes Thema pro Tag nach Verabredung im Lehrer-Team gibt. Der Unterricht könnte aus folgenden Abschnitten bestehen:

8:00-8:30 Beginn des Tages mit einer Besprechung über Klassen- und Schulprobleme ca. 30 Minuten. Begründung: Die Schülerinnen und Schüler lernen auf diese Weise, dass sie mit ihren Fragen und Sorgen von den Lehrenden ernst genommen werden. Außerdem können die Lehrenden „Problemfälle“ rechtzeitig erkennen.

8:30-9:30 Beginn des Unterrichts mit der sorgfältigen Überprüfung des Vorwissens der Lernenden aus voraufgegangenen Stunden und ggf. Wiederholung lückenhaften Wissens (30-60 Minuten). Begründung: Wenn der gegenwärtige Wissensstand der Lehrenden nicht überprüft wird, kommt es bei Wissenslücken zu einem Abriss des Verstehensprozesses auf Seiten der Lernenden. Es ist wichtig, nicht nur abzufragen „habt ihr das verstanden?“, sondern durch gezielte Fragen den Wissensstand zu überprüfen.

9:30-9:50 Pause

9:50-10:30 Einführung in den Stoff des Tages durch den Lehrenden. Dies sollte in der Regel nicht länger als 30-40 Minuten, maximal 1 Stunde betragen (falls gleich Fragen gestellt werden). Das Vorgetragene sollte in drei- bis fünf-minütigen „Spannungsbögen“ gegliedert werden, um Konzentration und Arbeitsgedächtnis der Lernenden nicht zu überlasten. Beispiele und Nachfragen sind dabei sehr wichtig. Begründung: Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis sind notorisch begrenzt – niemand kann neuen und potenziell wichtigen Informationen länger als 5 Minuten konzentriert zuhören. In dieser Zeit muss das Gehirn ständig Assoziationen bilden, die für das Verständnis des Gehörten (oder Gelesenen) notwendig sind. Das ist für das Gehirn sehr anstrengend. Wenn der Lehrende ohne solche kurzen „Spannungsbögen“ Wissen vorträgt, werden Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis der Lernenden schnell überlastet, und durch die neu angebotenen Informationen werden die zuvor aufgenommenen Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis verdrängt, ohne in das Zwischengedächtnis und dann von dort in das Langzeitgedächtnis zu gelangen. In kurzen Unterbrechungen oder bei erläuternden Beispielen kann das Arbeitsgedächtnis „Atem holen“.

10:30-10:50 Pause

10:50-13:00 Gruppenarbeit von ca. 2 Stunden, Ausgabe des Materials usw. Der Lehrende geht ständig von Tisch zu Tisch und hilft. Begründung: Gruppenarbeit ist nicht vorrangig geeignet, neues Wissen eigenständig zu erarbeiten, sondern das soeben vom Lehrenden gehörte Wissen zu vertiefen und sich anzueignen. Praktische, manuelle Tätigkeit ist dabei wichtig. Bei der Gruppenarbeit ist Ruhe absolut notwendig. Der Lehrende muss sehen, dass alle Mitglieder einer Gruppe mitarbeiten (das ist oft nicht der Fall).

13:00-14:00 Mittagspause

14:00-15:30 Einzelarbeit mit gesonderten Aufgaben für Normalbegabte, Hochbegabte und Minderbegabte bzw. Lernende mit Lernschwierigkeiten oder sonstigen Behinderungen, unterbrochen von „aktiven Bewegungspausen“. Begründung: Auch die Einzelarbeit dient weniger dem Erwerb neuen Wissens, sondern vornehmlich der individuellen Aneignung des Gehörten. Praktische Tätigkeit ist sehr effektiv. „Aktive Bewegungspausen“ sind wichtig für die Arbeit des Zwischengedächtnisses und damit für den Prozess der Konsolidierung und Überführung ins Langzeitgedächtnis.

Trotz vorliegender Begabungsunterschiede sollte der Klassenverband aus emotionalen Gründen erhalten bleiben. Den (Hoch)begabten (in der Regel nicht mehr als 1-2 pro Klasse sollten Zusatzaufgaben gegeben werden; sie könnten auch bei der Gruppenarbeit mithelfen. Diese „Helfer“ müssen aber eingewiesen werden, damit sie nicht arrogant auftreten. Den Lernenden mit Minderbegabung oder Lernschwierigkeiten (ebenfalls 1-2 pro Klasse) muss in jedem Fall mehr Zeit gelassen werden, indem man ihr Lernpensum verringert. Ihr Hauptdefizit liegt meist in einer stark verlangsamten Lerngeschwindigkeit, nicht so sehr in sonstigen kognitiven Defiziten (außer etwa bei Dyskalkulie oder schweren geistigen Behinderungen).

15:30-16:00 Knappe Wiederholung des Tagesstoffes in Form von Fragen, Antworten, Beispielen. Begründung: Nach ca. 6 Stunden hat die Konsolidierung des neuen Wissens einen ersten Abschluss erreicht, und es beginnt die Überführung ins Langzeitgedächtnis. Hierfür ist eine erste Wiederholung sehr wichtig.

16:00 Ende des Unterrichts

Wiederholung des Stoffes nach ca. 3 Wochen und 3 Monaten in abgewandelter und verkürzter Form. Dabei Auffüllen von Verständnis- und Wissenslücken. Begründung: Nichts (außer schockierenden emotionalen Ereignissen) wird mit einem Mal gelernt, sondern neben Begabung, Motivation und Fleiß ist die Wiederholung des Stoffes das A und O des Lernerfolges.

Ein Wechsel der Lernorte könnte ausprobiert werden, d.h. je nach Unterrichtsinhalt könnten bestimmte Klassenzimmer aufgesucht werden, die eine besondere Ausstattung haben und darüber motivierend wirken. Es müsste daneben aber einen echten Klassenraum geben, in dem sich die Lernenden „zuhause“ fühlen.

<i>von Gerhard Roth und Michael Koop</i>

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