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Schulqualität in Schleswig-Holstein

von Rainer Werner

Bildung ist in Deutschland föderal organisiert. Jedes Bundesland kann sein Schul- und Hochschulsystem nach eigenem Gutdünken gestalten. Von der Kultusministerkonferenz (KMK) werden nur allgemeine Rahmenbedingungen festgelegt. Gegen einheitliche Prüfungsanforderungen beim Mittleren Schulabschluss und beim Abitur wehren sich die Kultusminister hartnäckig, weil sie um ihre “Bildungshoheit” fürchten. Deshalb wird unser Bildungssystem noch auf Jahre zerklüftet bleiben.

Wenn die Bundesländer schon auf der Eigenständigkeit der Bildungspolitik bestehen, müssen sie es sich zumindest gefallen lassen, dass die Qualität ihrer Schulen und Hochschulen von wissenschaftlichen Instituten mit der Qualität in anderen Bundesländern verglichen wird. Nur so kann ein Wettbewerb zwischen den Ländern entstehen, der letztlich zur Qualitätssteigerung beiträgt. Auch in der Bildung belebt Konkurrenz das Geschäft.

Das “Institut der Deutschen Wirtschaft” in Köln hat im August 2016 den “Bildungsmonitor 2016” vorgelegt. Diese Studie vergleicht die Qualität von Schule und Hochschule aller 16 Bundesländer.

Hier soll bewertet werden, wie das Land Schleswig-Holstein im Schulsystem abschneidet.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Schleswig-Holstein belegt den viertletzten Platz (Platz 13 von 16), wobei auffällt, dass sich die Werte gegenüber dem Vorjahr noch leicht verschlechtert haben. Bei 9 von 12 untersuchten Kriterien liegen die Werte des Landes unter dem Bundesdurchschnitt, nur bei zweien liegen sie darüber, bei einem Wert erreicht das Land genau den Bundesdurchschnitt.

Wo liegen die Schwachstellen des Schulsystems von Schleswig-Holstein?

Auffällig ist, dass die Betreuungssituation für die Schüler dieses Bundeslandes zu wünschen übrig lässt. So ist die Ganztagsquote der Kinder von der Kita über die Grundschule bis hin zur Sekundarstufe I unterdurchschnittlich. Bildungsforscher wissen, dass eine gute Betreuung der Kinder und Schüler am Nachmittag in Kita, Hort oder Schule einen großen Einfluss darauf hat, wie sich Spracherwerb und -gebrauch, aber auch das Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen entwickeln. Gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund ist eine nachmittägliche Betreuung unverzichtbar, weil hier das Fundament gelegt wird für das korrekte Beherrschen der deutschen Sprache, was überhaupt erst den Aufstieg durch Bildung ermöglicht. Deshalb sagt die Studie völlig zurecht: “Eine ausgebaute Förderinfrastruktur ist wichtig, um eine bessere soziale Teilhabe zu erreichen.” Hier besteht in Schleswig-Holstein absoluter Handlungsbedarf.

Obwohl die Studie über die Unterrichtsqualität der Schulen in Schleswig-Holstein konkret keine Auskunft gibt, kann man aus den in der Studie genannten Zahlen schlussfolgern, dass hier Mängel und Defizite existieren müssen. So ist die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss mit 7,7% höher als im bundesdeutschen Durchschnitt (5,5%). Auch die Erfolgsquote bei den Prüfungen an Berufsfachschulen, Fachoberschulen und Fachschulen ist unterdurchschnittlich. Sie war die zweitniedrigste aller Bundesländer.

Diese mangelhaften Lernergebnisse können an didaktischen Fehlentwicklungen liegen, aber auch an einer schlechten Ausstattung der Schulen mit Personal. So kritisiert die Studie die unterdurchschnittliche Betreuungsrelation (Schüler-Lehrer-Relation) in der Sekundarstufe I (ohne Gymnasien) und an den Ganztags-Berufsschulen. In der Sekundarstufe II ergab sich mit 14,9 Schülern pro Lehrkraft sogar die schlechteste Relation aller Bundesländer (Bundesdurchschnitt: 12, 3).

Auch bei den erteilten Unterrichtsstunden pro Klasse liegt Schleswig-Holstein hinter den anderen Bundesländern zurück. So wurden in der Sekundarstufe I an Gymnasien im Jahr 2014 nur 34,6 Unterrichtsstunden erteilt (Bundesdurchschnitt: 37,0). Noch schlechter ist die Situation in der Sekundarstufe II: “In der Sekundarstufe II belegte Schleswig-Holstein bei den erteilten Unterrichtsstunden pro Schüler sogar den letzten Platz aller Bundesländer.”

Wenn man die unterdurchschnittlichen Einzelergebnisse (niedrige Ganztagsquote, viele Schüler ohne Schulabschluss, schlechte Betreuungsrelation) zusammenfassend bewertet, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass das Schulsystem in Schleswig-Holstein strukturell bedingte Mängel aufweist, die es hinter die leistungsstarken Bundesländer zurückfallen lässt. Während Hamburg und das Saarland, die in früheren Vergleichsstudien auch schlecht abgeschnitten haben, ihre Leistungen inzwischen verbessern konnten und in der Ländertabelle nach oben gerückt sind, stagniert die Qualitätsentwicklung der Schule in Schleswig-Holstein, ja, die Qualität hat sich sogar noch weiter verschlechtert.

Das im Januar 2014 vom Landtag Schleswig-Holsteins beschlossene neue Schulgesetz sieht neben dem Gymnasium nur noch eine Schulform vor: die Gemeinschaftsschule. Die bestehenden Regionalschulen werden entweder in Gemeinschaftsschulen umgewandelt oder aufgelöst. Wie man aus anderen Bundesländern weiß, leidet die Unterrichtsqualität an der Gemeinschaftschule vor allem unter der extremen Heterogenität der Schülerschaft. Die didaktischen Methoden, die angewendet werden, um in den heterogenen Klassen sinnvoll unterrichten zu können (Binnendifferenzierung, Individualisierung des Lernens) sind schwierig zu handhaben und liefern nicht die erwarteten Resultate. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die hohe Zahl der Schüler ohne Abschluss darauf zurückzuführen ist, dass die “modernen” Lernmethoden, in erster Linie die Individualisierung des Lernens, vor allem den leistungsschwachen Schülern und auch den Kindern mit Migrationshintergrund schaden. Die Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler geht mit diesen Methoden hart ins Gericht: “Die Art und Weise, wie man glaubt, Kinder beschulen zu können, die keinen optimale Voraussetzungen haben, indem man auf eigenständiges Arbeiten, Selbstorganisation und so weiter setzt, ist naiv und kontraproduktiv.” (FAZ vom 26. 08. 2016)

Alle seriösen Studien über Schulqualität belegen, dass eine egalitäre Schulform wie die Gemeinschaftsschule im Leistungsvermögen hinter dem gegliederten Schulsystem zurückbleiben muss. Wenn man dies in Rechnung stellt, sieht die Zukunft der Schule in unserem nördlichsten Bundesland nicht rosig aus. Der Slogan der Landesregierung “Schleswig-Holstein. Der echte Norden” könnte sich in der Bildung als Euphemismus erweisen.

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