„Die Lütten“ – Unser Kindergarten
Ab drei und vier: Die Kinder wollen etwas wissen
Barbara Manke-Boesten ist Begründerin der Leibniz Privatschule, Schulleiterin und Geschäftsführerin
Drei Tage nach ihrem vierten Geburtstag wurde Catharina-Amalia, die erste Tochter von Kronprinz Willem-Alexander und seiner Frau Máxima, eingeschult. Papa und Mama brachten die kleine niederländische Prinzessin morgens in die Bloemcamp-Schule in Wassenaar, einem vornehmen Villenvorort von Den Haag. Brav hängte sie ihr rotes Jäckchen an den Haken und verstaute ihre Schultasche. Prinzessin Máxima schloss ihr Töchterchen noch einmal fest in die Arme, bevor sie sie der stolzen Lehrerin überließ.
Das ist beileibe kein Sonderfall für die Familie der Oranjes. Das ist Gesetz. In den Niederlanden werden Kinder in der Regel am Tag nach ihrem vierten Geburtstag eingeschult, einen festen Termin für den ersten Schultag gibt es nicht.
Das alles basiert darauf, dass Kinder spätestens ab dem vierten Lebensjahr „offen wie ein Scheunentor für das sind, was um sie herum passiert“, wie es einmal der Psychologie-Professor Franz Mönks aus Nijmegen und Münster formuliert hat. Kinder können und wollen lernen, wollen wissen, welche Bedeutung Buchstaben und Zahlen haben. Wenn Sie darüber spielend etwas erfahren, ist das kein Stress und keine Arbeit, sondern die Antwort auf die natürliche Neugier der Kinder.
Genau deshalb bieten wir neben unserer Grundschule, dem Gymnasium und der Realschule (Gemeinschaftsschule) auch den Kindergarten mit vorschulischer Erziehung an.
Wir möchten die Kinder entsprechend ihrem Alter dahingehend unterstützen, sich in einer Gruppe zurechtzufinden und durch viele Alltagssituationen zu lernen. Die Kinder erfahren einen gut strukturierten Tagesablauf, der ihnen Sicherheit geben soll. Hierzu gehören z. B. der gemeinsame Morgenkreis, das gemeinsame Frühstück und Mittagessen, das Forschen und Lernen in den Aktionsbereichen, das freie Spielen sowie die täglichen Gruppen-aktivitäten und viele Rituale.
Ihr Kind erlernt und verarbeitet im Spiel, was für seine Entwicklung auschlaggebend ist. In seiner Vielfalt bietet das Spiel den Kindern die Möglichkeit, alle lebenswichtigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, die für ihre Bildung bedeutsam sind. Sie machen Erfahrungen, die ihnen helfen, zu eigenständigen Persönlichkeiten heranzuwachsen, um selbstständig und verantwortungsbewusst zu werden. Spielen unterstützt die Lernmotivation und Neugierde — die wichtigste Basis für das Lernen. Deshalb ist das Spiel ein Schwerpunkt in unserer Kindergartenarbeit. Jedes Kind wird von uns seinen Stärken und Schwächen entsprechend gefördert. Es bekommt hier durch die Erzieher die nötige Unterstützung und Hilfestellung. Von den Erziehern ausgewählte Aktivitäten helfen dem Kind in seiner Entwicklung gezielt voranzukommen.
Gleichzeitig lernen die Kinder auch, ihre Bedürfnisse eine gewisse Zeit lang zurückzustellen. Dem Kind muss Raum und Zeit gelassen werden, seine selbst gewählte Arbeit auch selbständig und in Ruhe zu Ende zu führen, damit es durch das Erreichte sich selbst („Selbstkompetenz“) und seine Leistungsfähigkeit bestätigt fühlt. Selbstverständlich ist auch die konkrete Leistung der Kinder auf jeder Stufe ihrer Entwicklung von großer Bedeutung: Im Kindergarten sind es die Übungen des praktischen Lebens und die Arbeit mit dem Sinnesmaterial zur Förderung der operativen Intelligenz. Es finden auch Gruppenaktivitäten und Projekte statt. Die Kinder erleben hierbei das Lernen und soziale Miteinander in einer Gruppe.
Die Projekte finden sowohl sprachübergreifend als auch in Form des ganzheitlichen Lernens statt. Es gibt in der Entwicklung des Kindes Phasen, Perioden mit einer besonderen Empfänglichkeit, also Sensibilität für bestimmte Lernvorgänge und Umwelteinflüsse. Diese Phasen – heute öfter auch als sich öffnende „Fenster“ bezeichnet – sind „Angebote der Natur“ (Heinrich Roth), jetzt und genau zu dieser Zeit besonders leicht bestimmte Lernerfahrungen zu machen und Fertigkeiten zu erwerben.
Ein Musterbeispiel ist das Lernen der Sprache: Während einer frühen Reifephase kann das kleine Kind jede Sprache „absorbieren“, etwas später kann es neben der Muttersprache auch noch Fremdsprachen in seiner Umgebung wie von selbst lernen. Solche sensiblen Phasen gehen jedoch wieder vorbei, und das etwa zehn-jährige Kind kann meistens nur noch durch methodische Anleitung im Unterricht eine fremde Sprache in allen ihren Facetten lernen.